Gedanken zu den Ereignissen in Paris

Liebe Helfer

in Anbetracht der aktuellen Ereignisse, bin ich sehr froh, in meinem Umfeld einer großen Solidarität mit unserem Nachbarland zu begegnen, und noch froher, dass daraus nicht unmittelbar die Angst vor den Flüchtlingen geschürt wird. Dieser Anschlag geht uns offenbar so nahe, weil er direkt vor unserer Haustür geschah, und in meinem Fall noch jemanden direkt betraf, den ich persönlich kenne. Aber mit etwas Abstand, der Beobachtung von Sozialen Netzwerken und den althergebrachten Medien, wirft es bei mir ein paar Fragen auf: Warum muss ein Anschlag wie in Paris, erst in der Mitte Europas, oder wie vor vielen Jahren in den USA, also im Herzen der westlichen Welt geschehen, um unsere Aufmerksamkeit auf die Probleme des Nahen Ostens zu lenken? Und grenzt diese Solidarität mit den Opfern eines westlichen Landes nicht die aus, die seit Monaten vor der Gewalt fliehen? Ein Bombenattentat in Beirut mit rund 40 Opfern, nur wenige Stunden vor den Anschlägen in Paris, bleibt nahezu unbeachtet von Medien und uns. Ist es für uns schon wieder zu weit entfernt, und warum unterscheidet sich das Mitgefühl zwischen den Opfern im Libanon und den Opfern in Paris? Mich bestürzt der Gedanke, dass wir es schaffen, uns für einen Augenblick als Europäer zu solidarisieren, uns kurz sogar als Franzosen zu fühlen, es uns aber nicht im gleichen Maße gelingt, dieses Mitgefühl gegenüber Menschen weltweit zu teilen. In den Medien zünden diese Ereignisse wieder das Feuer gegen eine junge aggressive Religion an. Es wird pauschalisiert es wird Angst geschürt. Die internationalen Medien wie CNN berichten stundenlang über eine amerikanische Studentin unter den Todesopfern, so das man den Eindruck bekommt, dass die USA direkt angriffen wurde, und binnen weniger Stunden die ersten Flugzeugträger auf dem Weg ins Mittelmeers sein sollten. Man spricht in Deutschland von der Gefahreneinstufung in unserem Land, die sich seit dem 11. September nicht entscheidend verändert haben sollte. Was ich höre und lese erzeugt Angst, und das gezielt. Der nächste Schritt ist nun Hasse und aus Hass wird Rassismus. Und hier bin ich am Kern meiner Bedenken angelangt. Es sind nicht Religionen, die wir zu fürchten haben. Es ist der Drang des Menschen sich vor dem Anderen zu ängstigen und dieses zu bekämpfen. Noch vor wenigen Jahrzehnten haben Christen sich gegenseitig in die Luft gesprengt, oder vor Jahrhunderten Hexen verbrannt. Rassismus betrifft nicht nur den Glauben. Egal ob Hautfarbe, Weltanschauung, Lebensweise, offensichtlich finden wir immer wieder Gründe, Lebewesen der gleichen Gattung Mensch zu diskriminieren, zu verfolgen, zu töten, nur weil sie nicht in unser Bild passen. Mag sein, dass es zur Evolution gehört, die dem Gesetz des Überleben der stärkeren Rasse folgt. Doch wir sind schon soweit zivilisiert, dass wir schwache, kranke und behinderte Menschen in unserer Gesellschaft ebenfalls eine Chance des Überlebens garantieren. Hier schaffen wir es doch auch die Evolution zu überlisten. Weil wir Mitgefühl besitzen und Wohlstand, der es uns erlaubt. Es kann doch nicht so schwer sein, diesen Gedanken auszuweiten und Mitgefühl für die Gesamtheit unserer Menschheit zu entwickeln. Heute morgen sah ich einen Bericht über afrikanische Arbeiter, die für 75Cent am Tag Salz aus einem See gewinnen, und sich dabei die Beine zerfressen lassen. Es ist nur eine von vielen Beispielen, dass Menschen, die genau so viel wert sind wie Du und ich, ausgebeutet werden und misshandelt werden, damit es einer Elite von Menschen gut geht. Nicht nur, dass ein großer Teil unserer Gesellschaft tagtäglich die Augen davor verschliesst, schaffen wir es zusätzlich über den Wert Anderer zu richten, sie wegen eines Glaubens, einer Abstammung oder Lebensweise zu kategorisieren und zu diskriminieren. Rassismus versteckt sich in unserem Alltag, und wir sehen ihn häufig nicht. Rechten Parolen zu folgen ist längst nicht der Anfang, sondern eher schon die Spitz von Menschenverachtung. Nun kann ich viel reden und habe dennoch keine Lösung, ausser Menschen zu sensibilisieren, den Medien mit Skepsis zu folgen. Sich selbst und seine Meinung zu reflektieren, nicht nur an sich selbst sondern auch an sein Umfeld zu denken und gelegentlich auch über die eigenen Grenzen hinaus die Augen und Ohren offen zu halten. Ein Schritt ist, Menschen, die vor dem Terror ihres eigenen Landes fliehen, ohne Angst zu begegnen, selbst wenn die Medien uns schon sagen, dass einer der Attentäter als Flüchtling getarnt nach Europa kam. Wenn wir nicht lernen unsere Ängste zu zügeln, haben wir bald wieder einen Krieg, und den mitten in Europa. Und davor habe ich wirklich Angst.

Dan Schneider