Aus fünf Ländern kamen wir nach Waren – wir, die Dagmars Bericht über Mecklenburger Geschichte zuhörten. Unsere ursprüngliche Heimat hatten wir nicht in Mecklenburg, nicht an der Müritz. Manche von uns kamen nach dem Zweiten Weltkrieg als Fremde, Flüchtlinge und Vertriebene aus östlichen Regionen des zerstörten Landes, andere im Laufe der vergangenen Jahrzehnte aus verschiedenen Gegenden Deutschlands, um hier einen neuen Lebensmittelpunkt zu finden. Kürzlich erst verschlug der grauenvolle Krieg in Syrien unsere neuesten Mitbürger hierher.
Dagmar führte uns mit Bildern und Worten durch die letzten tausend Jahre Mecklenburg-Vorpommerns. Nicht immer war Mecklenburg das, was man heute deutsch nennen würde. Slawische Stämme besiedelten das Gebiet, von ihrer Sprache sind noch viele Ortsnamen geprägt: Mirow – ein Ort des Friedens; Jabel könnte ein Ort mit Äpfeln gewesen sein; die Müritz war das kleine Meer (slawisch morcze), und in Waren gab es immer schon viele Krähen: worona (ворона) ist die Krähe auf Russisch.
Nicht oft herrschte Frieden in all den Jahrhunderten. Slawische Stämme kämpften gegeneinander, Fremde kamen, immer mehr deutsche Siedler aus Westfalen, Niedersachsen, Friesland und Holstein suchten im Land ihr Glück, auch nicht immer friedlich. Sie brachten die plattdeutsche Sprache mit und die christliche Religion. Die Hanse gründete Städte. Ende des 13. Jahrhunderts wurde auch Waren zur Stadt.
Mit schnell verrinnender Vortragszeit übersprang Dagmar eine Zeitspanne von 500 Jahren, darunter den Dreißigjährige Krieg, der ein entvölkertes Land, Armut und Krankheiten hinterließ.
1815 wurden die beiden Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz gegründet. Nun folgte ein relativ ruhiges Jahrhundert. Änderungen waren in Mecklenburg nicht beliebt. Reichskanzler Otto von Bismarck soll gesagt haben, dass er, wenn die Welt unterginge, nach Mecklenburg ziehen werde, da dort alles 50 Jahre später geschehe.
Der Erste Weltkrieg kam, dann die Nazi-Zeit und der Zweite Weltkrieg, Millionen Ermordete in den Konzentrationslagern, Kriegstote und ein zerstörtes Land. Nach 1945 war jeder zweite Einwohner Mecklenburgs ein Fremder, stammte aus den deutschen Ostgebieten oder aus anderen Teilen Osteuropas.
Während der Zeit der DDR verschwand Mecklenburg als politisches Gebilde, stattdessen gab es die drei Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg. 1990 wurde Mecklenburg-Vorpommern neu gegründet und bildet seit dem 3. Oktober 1990, dem Tag der deutschen Einheit, ein Land der Bundesrepublik Deutschland.
Dank an Dagmar für diese erste Veranstaltung der Reihe Heimat-Gespräche. Wir sind auf weitere Beiträge gespannt. Sicherlich werden wir dann auch darüber sprechen, was für jeden von uns Heimat ist. Ist es dieses Land, der gegenwärtige Wohnort, die landschaftliche Umgebung, das Land der Geburt und Kindheit, die Familie oder nur ein einzelner Mensch? Das entscheidet jeder oder jede für sich selbst. Andere Menschen, Volk, Herkunft, Aussehen, Glaube entscheiden das nicht!